Mein liebstes Colosseum

 

Mein liebstes Colosseum,

Ein Jahr ist es her, als ich dich letztmals von innen sah,
ein Jahr, in dem so unfassbar viel geschah.
Ein Jahr, dass dich und mich für immer wandelte,
ein Jahr, in dem es an Krisen nicht mangelte.

Ich seh’s noch immer vor meinen Augen,
und man mag es kaum noch glauben,
Wie du erstrahltest in Glanz und hellem Licht,
wie die Menschen sich drängelten, dicht an dicht.

Ich weiß es noch, als wär es gestern,
es liefen Action, Horror und auch Western.
Für Jugendfilme warst du bekannt,
von Kindern sonntags gänzlich überrannt.

Die „Berlinale“ ging hier ein und aus,
machte dich zu einem ganz besond’rem Haus.
Auch Spatzenkino durfte nicht fehlen,
Noch so viel mehr ist aufzuzählen.

Einschulungen und Jugendweihen,
romantische Dates zwischen Zweien oder Dreien?
Auch Filmpremieren gab es mal,
du warst immer meine erste Wahl.

Historisch bist du relevant,
in ganz Berlin deshalb bekannt.
Fast hundert Jahr‘ alt bist du jetzt,
wurdest nicht selten unterschätzt.

Mit deinen sehr pompösen Hallen,
Hast du mir von Anfang an gefallen.
Mit toller Deko – überall,
wo damals war ein Pferdestall.

Nun stehst du unter Denkmalschutz,
doch künftig wohl völlig ohne Nutz‘.
Zehn wunderschöne Kinosäle,
besser als alle Fernsehkanäle.

Doch ist noch Lockdown – ich häng vor Netflix,
nur wenn es sein muss, tut’s auch mal Six.
Aber nicht einmal Besos‘ Amazon,
bringt mir so herzergreifende Emotion‘.

Gelacht, geweint, gejubelt und gelitten,
so manch ein Film war sehr umstritten.
Doch wenn ich dann kam, aus dem Saale heraus,
wollt‘ ich eigentlich noch lang nicht nach Haus.

Die Arbeit hat hier Spaß gemacht,
Auch wenn ’s oft ging bis Mitternacht.
Nicht nur tat ich tagtäglich meine Pflicht
und freute mich über jedes strahlende Gesicht,
ich war auch Stammgast immer hier.
Hätt‘ nie gedacht, dass ich dich mal verlier.

Das Abendschwätzchen durfte nicht fehl’n,
Gab für uns alle viel zu erzähl’n.
Von Mustafa gleich nebenan,
holten wir ’s Bierchen nachts heran.

Zwei Demos und ’ne Petition,
Es ist nicht nur ’ne Illusion.
Niemand will hier ein Büro,
doch über ’n Kino, wär’n alle froh.

Die Brauners haben Geld und Macht,
’ne Fortführung wär doch gelacht.
Stecken nicht nur ein die ganze Pacht,
sondern lügen bis der Balken kracht.
‚Ne Abfindung in voller Pracht,
Haben sie sich völlig ausgedacht.
Kein Cent davon wird je erbracht.
Es war noch nicht mal angedacht.

Die Politik muss tätig werden
und nicht erst, wenn alles liegt in Scherben.
Eine Rettung muss jetzt her,
das wünsche nicht nur ich mir sehr.

Ein Kauf durch die Stadt, der wär jetzt nicht schlecht,
ein Kino mit Kultur – das wär allen recht.
Wie ihr nun seht, es ist mir wichtig,
die Fortführung ist einzig richtig.

Und nicht vergessen werden darf zum Schluss,
dass auch ein Mensch, von etwas leben muss.
Zehn Monate fehlt mir schon das Geld.
Wo ist er nur, unser großer Held,
Der uns verschafft zurück den Job,
Mit ei’m Gehalt, das wäre top?!

So steh ich täglich nun vor dir,
vor dauerhaft geschloss’ner Tür.
Alles ist trist und völlig kahl,
dich so zu sehen ist eine Qual.

Geschmückt mit Filmen aller Art,
war deine Schließung ganz schön hart.
Nun bist du zu und öffnest nicht,
Tränen zieren mein Gesicht.

Egal wofür auch immer,
wichtig war nur dein Geflimmer.
Nun ist es weg und kommt nie mehr,
Du glaubst es kaum, ich vermiss dich sehr!

Dein Dich liebender Mitarbeiter!

– geschrieben von Michel Rieck –

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